Der kleine Unterschied (Tag 1)

Der kleine Unterschied (Tag 1)

Wenn es darum geht, Kritikpunkte am derzeitigen System mit EuroGames, Outgames und Gay Games zu sammeln, dann steht immer ganz vorn mit dabei: „Das ist alles so gleich. Eines wie das andere. Niemand steigt da mehr durch“. Ohne schon in den Wettkampfbetrieb der Kölner Gay Games eingestiegen zu sein, möchte ich da bezüglich der Weltspiele 2009 und 2010 doch widersprechen. Dazu reichen schon die Eindrücke aus Eröffnungsfeier und dem allgemeinen Treiben in der Stadt aus.

Aber eines nach dem anderen. Wir sind denn also am Samstagnachmittag nach Köln geflogen. Wir und Wladimir Kaminer nebst Familie. Aber der wollte sicher woanders hin. Häufigste Nationalität der Gay Games-Anreisenden im Flieger war… na? Falsch! Nicht deutsch, sondern US-amerikanisch. Na, das zeugt doch von Geschmack, sich vor den Games in Köln erst einmal Berlin anzuschauen. :-)) Und es war ein Hinweis darauf, was uns hier erwartet, nämlich ganz, ganz viele Amerikaner. Die Akkreditierung an der Messe war  halbwegs gut organisiert und sehr zügig und dann ging es ganz gemütlich raus nach Müngersdorf zum Stadion. Erfahrene Gamisten wissen natürlich, dass es locker ausreicht, eine Stunde vor Start dort anzukommen und sein Städteteam zu ergänzen. Natürlich auch diesmal. Einen Einmarsch der TeilnehmerInnen in ein großes, offenes Stadion, das hatte ich zum letzten mal….Moment….in Sydney 2002, und es ist einfach feierlicher als eine Runde durch eine Halle zu drehen oder kurz über eine Rampe geschoben zu werden. Man kommt sich zumindest bedeutsamer vor. Womit wir schon beim Geist der Gay Games angekommen wären und dem spürbaren Unterschied zu den Outgames 2009. Hier ist alles „fantastic“, „amazing“ und „spectacular“. Zumindest wird einem alles als solches angepriesen und viele glauben es und plappern es einfach nach — zumindest die amerikanischen Gäste. Während er Eröffnungfeier im allenfalls halbvollen Stadion frönte man der Selbstbeweihräucherung und dem Heldentum und versuchte für geschätzte 18,95€ Pathos zu inszenieren. Nun, wir haben schon schlimmeres erlebt, aber insgesamt war es arg konventionell, was man geboten bekam, wenig poetisch, nicht innovativ, in keinster Weise überraschend und seltsamerweise völlig frei von Lokalkolorit. Diese Eröffnungfeier hätte in dieser Weise überall stattfinden können irgendwann in den letzten 10 Jahren. Da war der Einmarsch (dankenswerterweise mal nicht im Pamplona-Stil), die üblichen Reden (die Vehemenz, mit der Schirmherr Guido Westerwelle ausgepfiffen wurde, ist mir heute noch peinlicher als gestern), Flamme, Fahne und Eid (ganz reizend: der Olympiasieger im Turmspringen Matthew Mitcham), Freude schöner Götterfunken (merkwürdig ausgesteuert), Totengedenken für Brustkrebsopfer (!?!), ein bisschen Trommeln, Tröten und Turnen –und schließlich die -überraschend guten- Liveauftritte zweier Damen aus der zweiten Liga des Popbusiness, die es eigentlich gar nicht nötig gehabt hätten, uns feilgehalten zu werden, als wären sie mindestens so berühmt wie Kylie Minogue und Madonna. Zum Schluss ein wenig Feuerwerk und die Gay Games-Hymne im Vollplayback. Die ganzen zweieinhalb Stunden starrte man dabei auf den mit Metallgittern und roten Stoffbahnen ausgelegten Innenraum des Stadions, in dem sich nach dem Einmarsch herzlich wenig abspielte. Oder, um es mal feuilletonistisch auszudrücken: Da verlor sich die Diskrepanz zwischen Schein und Sein, zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der visuellen  Einöde einer weggesperrten Rasenfläche in rheinischem Nieselregen. Gewisse Leute fanden es natürlich wieder „gorgeous“, aber viele andere spielen im Jahr 2010 eben nicht mehr mit bei dem Spiel, dass alles  per se toll ist, allein schon, weil es lesbisch oder schwul ist. Da war man bei  den Outgames 2009 realistischer, lockerer, offener und moderner — nur so schön feierlich war es damals nicht.

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