Tag 2 Who is Who (Latein Männer, Standard Frauen)

Was für ein Tag! Mag ich auch viel geschimpft haben bisher über die Ausrichterstadt und die Gesamtorganisation und damit Wasser auf die Mühlen all derjenigen Tänzer gegossen, die sich gegen eine Teilnahme bei den 13. EuroGames entschieden haben, so tritt das doch alles als Petitesse gegenüber dem zurück, was heute im Ahoy zu erleben war. Da erlebt man live und in Farbe ein auf 20 mal 12m zusammengedrängtes Drama aus Freud´ und Leid, Schminke und Schweiß, Neid und Missgunst, Ehre und Ehrgeiz …und ein wenig Sportgeschichte hautnah.
Ja, ich kann verstehen, dass man mehrtägige Tanzveranstaltungen am liebsten an Orten abhält, wo man auch einfach so Urlaub machen würde. Aber, liebe Tänzerinnen und Tänzer daheim und unterwegs, wenn das nun einmal nicht der Fall ist und ich mich aus zeitlichen oder finanziellen Gründen entscheiden muss zwischen dem einen und dem anderen, dann muss das eine (der Nur-Urlaub ohne Tanzturnier) schon einiges an Attraktionen aufbieten, um mit dem anderen (dem einzigen Turnier im Jahr, das jene Gänsehautparkettdramen hervorbringen kann) mithalten zu können.
Während sich im Vorjahr beim Standardturnier der Frauen die Gemüter über die Leistung der Wertungsrichter erhitzen, waren heute die Lateinmänner Auslöser entfesselter Begeisterung, großer Verwunderung und heller Aufregung.
Es las es sich schon auf dem Papier wie das „Who is Who“ des Männer-Lateintanzens, und tatsächlich waren sie dann auch wirklich alle da. Zu den Plätzen 1, 2, 3, 4, 5, 7, 8 und 10 der letztjährigen Gay Games gesellten sich die diesjährigen London-Sieger aus England und die einst ungeschlagen abgetretenen Wiedereinsteiger Benjamin Martin/Silas Victor aus Dänemark. Summa summarum wahrscheinlich das stärkste Startfeld in der Sektion Männer Latein, das die Welt je gesehen hat. Per Dominoeffekt wurden alle anderen Paare fast notgedrungen eine Etage nach unten durchgereicht, so dass manch Ergebnis der Klassen B-D auf den ersten Blick etwas seltsam anmutet; aber es war halt den Umständen geschuldet.

 

Nach der Vorrunde der A-Klasse mussten sich sowohl die deutschen als auch die niederländischen Meister schon verabschieden. Nicht nur Schluss für den heutigen Tag, sondern auch Ende der Karriere bedeutete das Ausscheiden für Raeymaekers/Brankaert (BEL/NED). Mit sieben Paaren ging es ins Finale, die Begeisterung war groß, die Wertung geschlossen und die gute Laune des Publikums zumindest teilweise dahin, als bei der Siegerehrung die drei Erstplatzierten der GayGames 2010 mit den Plätzen 5, 6 und 7 bedacht wurden. Amerikanerbashing bei der Europameisterschaft? Missachtung technisch sauberen und hochwertigen Tanzens zugunsten des Effekts? Die einen sagen so und die anderen so. Anstelle der Paare aus Übersee und der tschechischen Weltmeister wurden andere mit Medaillen bedacht. Platz drei -und damit erste internationale Medaille in dieser Paarkombination- ging an Höxer/Herrbach, Platz zwei an Castillo/Granizal, die angesichts der Chance, eine EM-Medaille zu bekommen flugs von Südamerikanern zu Spaniern geworden waren, und der Sieg war quasi eine Titelverteidigung, denn vor ihrem Rücktritt hatten Martin/Victor noch die EuroGames 2008 in Barcelona gewonnen. Das Publikum war vor allem von der Einstufung von Hradecki/Valcuha wenig erbaut, und ob die einst als unschlagbar geltenden neuen Europameister wirklich noch -oder wieder- besser als die Konkurrenz sind, darüber herrschte auch wenig Einmütigkeit. Für Anhänger von ausgeklügelten Verschwörungstheorien hätte ich hier für die Recherche immerhin einen kleinen Tipp: „Dancing with the stars“.
Weitaus pfleglicher ging es bei den 49 standardtanzenden Frauenpaaren zu. Allerdings auch weitaus weniger spannend, was den Europameistertitel angeht. Privou/Zimmermann waren dominanter denn je, und der Rest balgte sich um die nachfolgenden Plätze, wobei die Deutschen wieder einmal nichts anbrennen ließen. Die frischgebackenen Senioren-Europameisterinnen Frische/Rautenbach bekamen noch eine Hauptgruppen-Silbermedaille als Zugabe und die 10 Tänze-Europameisterinnen Kallmann/Wagner eine Bronzemedaille. Endlich die erste internationale Medaille in der Standardsektion nach vielen, vielen, vielen Stunden Training (ich weiß, wovon ich schreibe)!
Womit es mal an der Zeit ist, über die heutige Bilanz von pinkballroom zu sprechen. Quantitativ fast ein wenig beschämdend: Gar keine Starter bei den Seniorinnen Latein, ein einsamer Pascal bei der Hauptgruppe Männer Latein, und die vier Paare in der Hauptgruppe Frauen Standard hätten sich auch leicht im Gewühl verlieren können. Haben sie aber nicht, denn qualitativ betrachtet ist die Tagesbilanz grandios. Jedes unserer Paare hat heute eine Medaille gewonnen und das bei großen und starken Startfeldern. Neben den schon erwähnten sind dies Dimitrova/Veit (Silber B-Klasse), Speckenmeyer/Speckenmeyer (Silber C-Klasse) und Arkenstette/Purschke (Bronze D-Klasse). Auch der zweite Tag dieser EuroGames war also wieder ein guter für pinkballroom. Und was den dritten und letzten angeht, muss man eigentlich auch keine Befürchtungen haben.
Nach einem langen Turniertag wurde mit 90minütiger Verspätung und in ziemlich kleinem Rahmen noch die jährliche Mitgliederversammlung der ESSDA abgehalten. Hauptdiskussionspunkt war hier die Frage, ob und wie man es angehen kann, im nächsten Jahr ein EuroGames-Turnier in Budapest zu verwirklichen . Aber das ist eigentlich ein ganz eigenes Thema.

TvSt

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