Die Achse des Schwulen (Tag 3)

Als wenn drei Reisebusse voller Tänzer ausgekippt worden wären in Müngersdorf. So kam es einem heute Nachmittag vor. Morgen geht es los mit den Tanzturnieren, und so schob sich denn heute alles, was ab morgen dem Walzer und der Rumba frönt, heute noch schnell durch die bunte Welt des Gay Games- Sportprogramms. Turmspringen für 70jährige, lesbisches Kugelstoßen, Parallelbeachvolleyball und Tim-Wiese-Gedächtnistrikots en gros sind nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was man da rund ums Stadion so erleben kann. Die Stimmung war überall heiter bis sonnig und mitunter auch mal kurz euphorisch, abgesehen von den etwas autistisch anmutenden Schwimmwettbewerben. Da war es irgendwie ganz seltsam, und wir sind recht schnell wieder dort weg. Insgesamt hatten wir aber ein sehr guten Eindruck von den Sportwettbewerben; auch, was deren organisatorische Güte angeht. Möge es ein gutes Omen für die Tanzturniere sein.

Das Gelände in Köln-Müngersdorf markiert das westliche Ende der Gay Games-Achse, die sich von hier, genau der Linie 1 der KVB folgend bis nach Deutz erstreckt. Die immer volle Linie 1 ist denn quasi auch der Schmelztiegel der Spiele. Hier trifft der französische Mittelstreckler hautnah auf die Hausfrau von der Aachener Strasse und die australische Schwimmerin auf den Kalker Kiezkönig. Und was soll ich sagen? Man findet Gefallen aneinander. Während auf der Fahrt ins Zentrum eine architektonische Beleidigung nach der nächsten an einem vorbeirauscht, entdecken die ausländischen Gäste, was die Atmosphäre der Stadt ausmacht. Es sind nicht seine Bauten, sondern seine Bürger. Die haben Spaß an den Gay Games, wie sie an allem Spaß haben, das bunt und jeck ist.

Zwischenstopp Rudolfplatz.
Der dortige Teil des Rainbow Village ist eher ein Food Court (mit 3€-Bratwurst) und dient vornehmlich als Verteilstation in die Nebengassen mit ihren einschlägigen Kneipen. Eine Station weiter, am Neumarkt, gibt es hingegen großes Bühnenprogramm und viel Trubel, und es wird auch am Nachmittag schon heftig geschunkelt. Da stellt sich nun die Frage, warum man die schrägen Stimmungskanonen nur in das Beiprogramm packt, anstatt damit die etwas fade Eröffnungsfeier aufzuhübschen. Nun denn. Nächster Halt der Linie 1 ist kurz vor der Rheinüberquerung der Heumarkt, ab heute Nachmittag unsere Stammhaltestelle, denn direkt nebenan steht das Maritim Hotel mit seinem großen Saal, den wir ab morgen betanzen werden. Hoffentlich wird das kein Sturzfestival, denn das extra ausgelegte Turnierparkett ist meist stumpf, aber an einigen Stllen auch glatt und hat offene Fugen. Dass zudem jede einzelne Platte eine Metalleinfassung hat, macht die Sache auch nicht einfacher. Ansonsten alles groß und alles schick, wenn man es vermeidet, den Blick zu senken und sich den Zustand des Teppichbodens anzusehen. Wenn da der RTL-Hoteltester vorbeikäme….

Tanzen konnte man heute auch schon ein wenig. Zumindest jene Paare mit gutem Gehör. Denn was da aus einem besseren Kassettenrecorder so vor sich hin plärrte, war nicht immer sofort zu identifizieren. Das wird sich ja bis morgen HOFFENTLICH geändert haben. Was die Paare angeht, habe ich keine großen Überraschungen erlebt. Von allem war etwas da, auch bei den uns vorher nicht bekannten Überseepaaren. Dass etwas Interessantes auftauchen könnte aus der Abteilung Männer A Latein, hatte man ja vorher schon geahnt. Dieses Turnier könnte DAS Highlight dieser Gay Games werden.

Was fehlt jetzt noch zu einem rundum schönen Tag? Genau, eine Mitgliederversammlung! Diesmal war die ESSDA dran. Auch hier kein Stress und keine Skandale, eigentlich noch nicht einmal eine besondere Schlagzeile (anders als beim DVET am Vortag). Nun, es gibt die gute Nachricht, dass der neue ESSDA-Vorstand so international besetzt ist wie noch nie (7 Leute aus 6 Ländern) und die „schlechte“, dass ich nunmehr der einzige Deutsche in diesem Gremium bin, was ein bisschen nach einem häufigeren Ellenbogenausfahren in der Zukunft riecht. Ach, und es ist kein einziger „native speaker“ mehr dabei. Das werden herrlich holprige Vorstandstreffen werden in der nächsten Saison. 😉

Morgen früh geht es los mit kleinen Senioren II-Lateinturnieren für Frauen und Männer und dem Senioren I- 10tänze-Turnier der Frauen, mit denen sich das Protokollteam warmlaufen kann, und danach folgt außer dem Senioren I-Standardturnier der Männer auch das „Monstrum“ dieser Gay Games, die Hauptgruppe Standard der Frauen, wo mit etwa 85 Paaren zu rechnen ist. Wer darauf wetten würde, dass es dort eine 48er-Runde in der C-Klasse geben wird, würde keine sonderlich gute Quote bekommen. Aber manchmal kommt es ja ganz anders, da muss man nur mal an die diesjährigen Berlin Open zurückdenken.

(Fotos Stephan Hueber)

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