Es ist fast 12 pm, wir sind müde und schreiben im Hotelzimmer gerade noch rechtzeitig am Bericht. Inzwischen sind die Gay Games eröffnet und wir waren dabei. Auch nicht selbstverständlich, denn ein bisschen zu spät waren wir schon, um uns rechtzeitig bei der Aufstellung der Nation beim deutschen Team einzufinden. So blieb uns nichts anders übrig, als in den Katakomben des Basketballstadions (Quicken Loans Arena) eine ambitionierte Aufholjagt zu starten, uns an den unendlich vielen amerikanischen Teilnehmenden vorbeizumogeln, nur um dann doch mit der bis dahin einsamen Fahnenträgerin von Malaysia in die Arena einzumarschieren.
Dies sollte sich aber gelohnt haben, denn uns bot sich ein eindrucksvolles Bild: Die Arena in der Größe zwischen Max-Schmeling-Halle und o2-World war schon zur Hälfte gefüllt, es gab aufputschende Musik und viel Applaus (nicht nur für die teilnehmenden Neu-Malaysierinnen, sondern vor allem für die gastgebende Mannschaft aus Ohio). Zu diesem Zeitpunkt waren die Ränge der Arena fast ganz gefüllt (beeindruckend!!!) und hatten mit Tanja & Iris unsere Pinkie-Mitstreiterinnen gefunden. Die Show war echt AMERIKANISCH: groß, laut, mit Pathos und Patriotismus und lang. Aber auch schön.
Alle kamen zu Wort: Die beiden Bürgermeister von Cleveland und Acron, die Co-PräsidentInnen der Gay Games, die Ausrichtenden und ihre Sponsoren, alte und neue LGBT-AktivistInnen, amerikanische Sportler, die sich geoutet haben (das Innen haben wir hier leider nicht vergessen), der demokratische Senator des Bundesstaates Ohio und Frau Schultz (des Senators Frau und engagierte Journalistin mit Pulitzer-Ehrung) sowie per Videobotschaft sogar Herr Obama himself. Durch die vielen Beiträge aus der Politik wurde deutlich unterstrichen, dass die Rechte für Homosexuelle im heutigen Amerika und in vielen Teilen der Welt wie auch die Durchführung dieser Veranstaltung keine Selbstverständlichkeit sind. Offensichtlich wurde der lange Kampf, die vielen Rückschläge, die vor diesem heutigen Ereignis lagen – und die vielen Kämpfe, die noch vor ihnen (und uns allen) liegen. Besonders, als Frau Schultz uns mitteilte, dass sie „niemals in ihrem Leben stolzer war, Cleveländerin zu sein, als in diesem Moment“, konnten sich nur besonders hartherzige ZeitgenossInnen der Rührung erwehren. Sie forderte alle Anwesenden auf, in die Welt zu tragen, dass „wir hier im Nordosten Ohios die Liebe in allen ihren Formen feiern, sowie Familien in jeder Zusammensetzung“. Auch ihr Mann ist wohl nicht „irgendein“ Senator, sondern einer der ganz wenigen US-weit, der sich aktiv für LGBT-Belange einsetzt.
Im Showprogramm kamen sowohl lokale LGBT-Aktivistinnen (vor allem begeisterte die Cheerleading-Truppe mit einer Superman-Nummer zu „I need a hero“) als auch nationale Größen des Showbusiness zum Einsatz. Fast wie bei den olympischen Spielen erfolgte die Eröffnung durch den Einmarsch der Fackel in die Arena und Entzünden von vier überdimensionalen Feuerspeiern an der Hallendecke. Da wurde einem, vor allem physisch, ganz warm ums Herz. Für einen Augenblick fühlte man sich doch wie einE ernstzunehmendeR SportlerIn.
Ach ja, wie es dazu kam, dass wir zu spät waren: Heute haben wir zum ersten Mal unsere Badgets ausprobiert und sind kostenfrei mit dem Bus gefahren (wobei der Clevelander an sich weder weiß, was das ist, noch wohin und wann das fährt). Noch beeindruckender war allerdings, dass, als wir eigentlich nur noch wissen wollten, WIE wir zum National Park kommen, die Dame an der Hotelrezeption uns ungläubig fragte: „National Park?“ So als hätte sie dieses Wort noch nie gehört. Auch der Busfahrer wusste nicht genau um den herausgehobenen Status des heimischen Naturparks, schickte uns aber schon mal ins richtige Tal. Die Wanderung am alten Ohio-Erie-Kanal wurde etwas länger als gedacht. In der wärmenden Augustsonne konnten wir viele, für uns neue, Pflanzen- und Tierarten in freier Wildbahn bestaunen (u. a. Schildkröten, Nutrias, Silberreiher und allerlei bunte Vögel).
Kerstin & Conny, 09.08.2014